CLattenzaun Blog

Entwickelt doch im Kindergarten!

10 Sep 2018 | 11 minutes read

Es hat ziemlich lange gedauert, bis ich hier auf CLattenzaun jetzt endlich mal den zweiten Blogeintrag veröffentliche (hätte eigentlich der Erste werden sollen). Natürlich möchte ich mich in meinem ersten Beitrag mal ein wenig mit dem Thema digitale Bildung auseinandersetzen bzw. ich würde gerne einfach ein paar Dinge in den Raum werfen und dann aus meiner Sicht erklären.

Meine Aussage

Der Titel dieses Artikels ist, in der ein oder anderen Form, ja immer wieder Aufhänger diverser Diskussionen und Vorträge die ich führe, und halte wie auch eine der Kernaussagen der gemeinsamen Initiative, die ich mit Nils Hitze gestartet habe. Natürlich war ich direkt getriggert, als ich neulich (jetzt auch schon ein paar Wochen her) in einer großen deutschen Zeitung direkt eine ähnliche Überschrift fand. Den Artikel las ich online und so bot es sich an im Anschluss auch den ein oder andere Kommentar zu lesen. Im Wesentlichen sahen viele Leute nur Schwarz oder Weiß, wodurch die Kommentare sich in zwei Lager aufteilten.

Das eine, dass jegliche Technik so lange von den Kindern fernhalten möchte wie irgendwie möglich, und das andere Lager, das am besten schon lauter kleine Marc Zuggerbergs im Kindergarten ranzüchten möchte. Irgendwie war ich von der Mehrzahl der Kommentare, die ich las, enttäuscht, weil nur eine Handvoll wirklich versuchte, Ihren Standpunkt etwas neutraler und sachlicher zu formulieren. Für mich allerdings ein guter Auslöser, um jetzt doch endlich mal mit dem Thema “Blog” zu starten. Daher hier mein Statement zum Thema.

Zuerst stelle ich hiermit die Behauptung auf das wir mit dem Thema Entwicklung am besten schon in unseren Kindergärten anfangen. Ich stelle die Behauptung auf, dass Digitalisierung auf Grundlagen basiert, die nichts mit IT zu tun haben und ich stelle die Behauptung auf das wir Themen der Entwicklung und der Digitalisierung selbst schon im Kindergarten platzieren können ohne das die Kleinsten der kleinen den ganzen Tag mit dem Tablet rumsitzen.

Die Grundlage

Die Behauptungen sind erst mal ganz schön heftig und vor meinem inneren Auge sehe ich schon wie etliche Leute darauf reagieren werden, sei es das sie nun bereits in die Tasten hauen, um mir zu schreiben, wie falsch ich mit diesen Aussagen liege oder was mir einfällt so etwas zu behaupten und die andere Hälfte, die bereits dran ist, um mir zu schreiben, wie toll die Idee ist und was man nicht alles Brauchen würde, damit das gelänge.

Von meiner Seite aus würde ich jetzt aber gerne erst mal sagen, “sachte, sachte”. Und zwar für beide Lager. Bevor hier jemand Lobeshymnen schreibt oder Beschwerdemails verfasst, sollte man vllt. erst mal ein paar Dinge klären, ein paar Begriffe um eine gemeinsame Basis zu schaffen. So das, wenn wir miteinander diskutieren, auch wirklich über das gleiche Reden. Ich finde, das fehlt nämlich den meisten, wenn es um diese Diskussion geht. Die einen reden vom Programmieren die anderen von Mediennutzung, beide greifen sie sich an doch reden eigentlich ein wenig aneinander vorbei.

Digitalisierung

Vllt. fange ich mal mit der aller einfachsten Grundlage an nämlich diesem schönen Totschlagbegriff Digitalisierung. Er ist nämlich ständig und viel in Gebrauch, aber was ist, damit eigentlich gemeint.

Der Begriff Digitalisierung besteht ja erst mal im Wesentlichen aus dem Wort digital bzw. Digit, das aus dem lateinischen entstammt und Finger bedeutet. Der Begriff wird trocken gesagt dann verwendet, wenn analoge Werte, also Daten technisch digital verarbeitet oder gespeichert werden. Grundsätzlich beschreibt es also die Technik von einem aufgenommenen analogen Signal, das theoretisch unendlich viele Werte enthält, nur eine bestimmte Anzahl an zulässigen werten zu speichern aus denen sich wieder analoge Signale erstellen lassen. Auf diese trockene Grundlage reduziert kann man vielleicht schon erkennen, dass der Begriff digital im ersten Moment gar nichts mit Computern zu tun hat.

Natürlich sind heutige Computersysteme im Wesentlichen digitale Systeme. Neben diesem rein technischen Aspekt verbinden wir mit dem Begriff Digitalisierung heutzutage schon deutlich mehr, wenn jemand über Digitalisierung spricht, so meint er den verstärkten Einsatz von Computertechnik in Bereichen, die bisher ohne aus kahmen, aber auch den kulturellen und gesellschaftlichen Wandel, der mit dieser Veränderung einhergeht. Das Wort digital bzw. Digitalisierung ist also zu einem Oberbegriff mutiert, der sehr gerne sehr inflationär eingesetzt wird. Genau wegen dieser Mutation weg von einem technischen Begriff taugt er eigentlich nicht wirklich für die Diskussion weil jede Seite, die ihn verwendet, soviel mehr damit meint.

Programmieren

Ein zweiter Begriff müssen wir noch klären, bevor ich hier meine eingangs getätigten Aussagen näher betrachte. Nämlich den Begriff Programmierung (Anmerkung: wir haben in der IT ganz schön viele Alleweltsbegriffe, selbst IT ist ja einer), der mittlerweile ebenfalls fast schon inflationär verwendet wird. Ich persönlich habe die rein subjektive Meinung, dass zum Wahlkampf all zu leicht all zu schnell dieser begriff aus dem Hut gezogen wird. Auch hier möchte ich erst mal den Begriff an sich klären. Der, aus dem altgriechischen stammende Begriff, steht für nichts anderes, als einem Computer Befehle zu geben. Mir gefallen hier eigentlich die ersten drei Sätze des Wikipediaartikels zu dem Begriff ganz gut, weil es exakt den Nagel auf den Kopf trifft.

Programmieren ist also lediglich eine Tätigkeit, ein Teilaspekt der Softwareentwicklung kein unwesentlicher, aber eine Unterscheidung ist meiner Meinung extrem wichtig. Wenn heute allerdings von Programmieren gesprochen wird, so reden viele bereits von der all umfassenden Softwareentwicklung und all zu oft habe ich subjektiv das Gefühl, das diese Leute dann nicht wirklich wissen, von was sie da eigentlich reden.

Programmieren ist ungleich Entwickeln

Wenn Programmieren also nur einen Teilaspekt der Entwicklung darstellt, so frägt man sich unweigerlich, was nun eigentlich Entwickeln ist. Nun lasst mich erst mal abschließen, um was es beim Programmieren geht. Ich sehe vor allem in der Softwareentwicklung das Programmieren als wichtiger Umsetzungsschritt, dabei sprechen wir oft von Programmierern, also Personen, die in der Lage sind, mithilfe einer bestimmten Technik eine geplante Anwendung für einen Computer umzusetzen. Natürlich gibt es auch codemonkeys. (Personen, die zwar Programmcode schreiben können, ihn aber nicht verstehen, eine unfreundliche umgangssprachliche Benamsung).

Der Gegensatz dazu ist der Entwickler, der außer der Umsetzung auch die weiteren Teilaspekte zu seinem Aufgabengebiet zählt. So ist Analyse, Konzeption, Entwurf, Umsetzung und noch vieles mehr als teil der Entwicklung zu betrachten. Ich gehe sogar noch weiter und sage Entwicklung betrifft nicht nur Software oder generell Computer, sondern ist viel weiter fassbar. Ich finde, ein Entwickler sollte im Bestfall nicht nur Softwaretechnologie unabhängig sein, sondern auch weitere Techniken beherrschen. Egal ob Hardware, Software oder Prozessabläufe all das sehe ich als Elemente der Entwicklung.

(Wobei zu klären wäre, ob man nicht auch Software von Computern, begrifflich entkoppeln könnte.) Entwicklung ist zusammengefasst also ein Prozess, der eine bestimmte Aufgabe oder Problemstellung zu lösen versucht. Unabhängig welche Techniken und mittel dazu zum Einsatz kommen. An sich lässt sich aus dieser Erklärung heraus auch die Grundlage ableiten die eine Person benötigt um diesen Prozess zu gestalten. Sie muss abstrakt denken können, kreativ, neugierig, lern bereit und aufgeschlossen sein, interessiert, kritisch hinterfragend, mutig und leidenschaftlich an die Sache rangehen können.

Und genau das ist es, was ich eingangs eigentlich gefordert habe, das sind genau die Eigenschaften, die wir unseren Kindern, jugendlichen und Erwachsenen vermitteln sollten. Das sind die Grundeigenschaften für die Entwicklung, die Pfeiler des Fortschritts und die Basis der Digitalisierung. Und sicher stimmt man mit mir überein das es hierfür im ersten Moment keinerlei Gerätschaften benötigt.

Dennoch sollten wir das nicht außer Acht lassen denn vor allem die Computertechnik, egal ob Software oder Hardware, fördert und fordert genau diese Eigenschaften, die wir so dringend vermitteln sollten. Zum anderen haben wir es mit einer Omnipräsenz an Gerätschaften zu tun. Wir müssen also vermitteln, wie die Dinge funktionieren, damit man sie verstehen kann. Wir müssen unseren Kindern diese Grundlage vermitteln damit sie sobald sie selbstständig digital unterwegs sind Interessen Abwegen können, sicherheitsbewusst agieren und auch politische Entscheidungen treffen können.

Ja aber!!!

Ja aber kinder interessiert das doch noch gar nicht, lass sie doch auch mal Kind sein und im matsch spielen! Definitiv ich möchte hier nicht fordern das kinder ausnahmslos Programmiersprachen pauken sollen oder mit einer Erzieherin das nächste Handy gemeinsam auseinander schrauben aber wie bereits in den knapp 6000 zuvor geschriebenen Zeichen ist das auch gar nicht in dieser Form notwendig. Man kann aber sehr wohl technische Grundlagen spielerisch vermitteln. Auch in der Natur mit Schlamm und Matsch. Eine Grundlage, die man zum Beispiel sehr einfach vermitteln könnte, ist das Binärsystem.

Beim Binärsystem gucken einen die meisten Leute komisch an, tun es als etwas Technisches oder hoch Kompliziertes ab. Aber dem ist nicht so, selbst die Ägypter kannten schon das Binärsystem zum Rechnen. Auch in Russland und in Deutschland war im Mittelalter das Binärsystem zum Rechnen im Einsatz, und heute Rechnen damit unsere Rechner. Das Binärsystem lässt sich spielerisch vermitteln, genau so wie das Thema Algorithmen oder so etwas wie Ascii funktioniert, und zwar ganz ohne Computer. Wir müssen unseren Kindern und Jugendlichen beibringen kreativ an Aufgaben- und Problemstellungen ranzugehen und allgemeine Lösungsansätze zu entwerfen.

In Grund- und weiterführenden Schulen wäre es optimal sich mit der Technik auseinanderzusetzen. Die Erfahrung aus den Coderdojos und anderen Workshops mit Kindern und Jugendlichen zeigt, dass diese durchaus an der Welt um sie herum interessiert sind. Damit die Technik spaß macht und die Kids an der Sache bleiben, ist vor allem der schnelle und sichtbare Erfolg wichtig. Dafür eignen sich vor allem Thematiken wie die Robotik oder auch Spiele, am besten solche, welche im entsprechenden alter auch gespielt werden.

Entwickeln mit Open Roberta > Grafisches Entwickeln mit dem Open Roberta Lab und dem Calliope mini

Und hierbei werden nicht nur die oben genannten Eigenschaften gefördert wird. Wie viele Kinder und Jugendliche kennst du, lieber Leser, die sich freiwillig aufgrund eines Mathebuchs sich in ihrer Freizeit mit Vektoren beschäftigen. Ich kenne auch keine, aber ich kenne Kinder und Jugendliche, die sich mit dieser Thematik freiwillige beschäftigen, weil sie ein Spiel schreiben, an ihrem Roboter bauen oder andere Sachen in diese Richtung machen.

Aber nicht nur diese Dinge sind entscheidend, sondern unsere Kinder und Jugendlichen sollten auch den bewussten Umgang mit der Technik erlernen, sie sollten wissen, wie ihre Sicherheit gefährdet werden kann und wie sie sich schützen. Sicher wir brauchen nach der Schulzeit nicht nur Informatiker in die Berufswelt schicken aber es bedarf Arbeiter, die nicht vor Technik scheuen und die Prozesse erkennen können, die sich mit Computertechnik umsetzen lassen.

Allein, wenn der Großteil der Bevölkerung die gängigen technischen Begriffe geläufig wären, so hätten sie es im Alltag leichter. Diese Grundlage in Kombination mit den Grundeigenschaften eines Entwicklers würden unseren Kindern und Jugendlichen darauf vorbereiten, was noch alles auf sie zu kommt. Es gilt, dass wir es unseren Kindern schuldig sind, sie mit den Grundlagen auszustatten, die sie für die Zukunft wappnen.

Bedarf

Die Frage ist wie wir das Realisieren, was ist ein geeignetes Konzept um unsere Kinder und Jugendlichen auf die Zukunft vorzubereiten? Eine richtige Antwort kann man nicht geben, da wir die Auswirkungen einer Entscheidung erst zwanzig Jahre später sehen. Eine falsche Antwort gibt es jedoch schon, nämlich wenn wir gar nichts tun, was unweigerlich dazu führt, dass niemand vorbereitet wird. Meine Idee der Vorbereitung mögen noch nicht ausdiskutiert sein oder aus verschiedenen Blickwinkeln betracht worden sein noch dürften meine Vorschläge auf reine Gegenliebe stoßen. Doch was schlage ich genau vor?

Zum einen Glaube ich das wir uns erst mal einigen müssen was wir erwarten. Was erwarten wir von einer Privatperson, Schüler, Arbeitnehmer, Rentner zum Thema Digitalität. Was müssen diese Personengruppen können? Was sollten sie Wissen? Mein Vorschlag wäre dazu einen Referenzrahmen für digitale Bildung auszuarbeiten. Ähnlich wie man es für Sprache getan hat, kann man sich dann auf Stufen einigen, auf die man einheitlich z. B. Lernmittel münzen kann. Ich will dazu gar nicht ins Detail gehen, da ich dazu mal einen eigenen Beitrag schreiben möchte.

Zum Zweiten müssen wir unsere Lehrkräfte und Erzieher schulen und stärken. Mit der Verfügbarkeit von Software und Hardware an Schulen ist es noch lange nicht getan, es bedarf auch den Willen etwas zu ändern, den Willen neue Wege zu bestreiten. Diese Leute gibt es, davon bin ich überzeugt. Die Kids und Teens haben da sowieso bock drauf.

Der dritte Part ist ein ausgefeiltes Schulkonzept. Wie ich oben bereits erwähnte, müssen wir einen Rahmen für unsere Erwartungen und Leistungen, aber auch für unsere Ziele abstecken und ausformulieren und die Lehrkräfte entsprechend ausbilden. Doch mit diesen zwei Punkten ist es zum Thema Digitalität noch lange nicht getan. Wir müssen die digitalen Themen in den Bildungseinrichtungen unterbringen. Wir müssen es in bestehenden Unterricht integrieren und in höheren Stufen digitale Themen als eigenes Fach anbieten.

Und zu guter Letzt, obwohl man diese Liste wahrscheinlich in die Unendlichkeit fortführen könnte, bedürfen wir der entsprechenden Ausstattung. Wir müssen Hardware zum Basteln und Arbeiten haben und wir benötigen die entsprechende Software Ausstattung. Es ist eine Notwendigkeit, wenn man damit arbeitet, dass man dann auch entsprechende Werkzeuge benutzen kann. Doch wir sollten keine Zeit damit verschwenden uns darüber zu streiten, was das geeignete Werkzeug ist, das kostet uns zu viel Zeit, wichtig ist, dass wir tätig werden.


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